conflict & communication online, Vol. 21, No. 1, 2022
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Peter Ullrich
Mit und ohne Juden: Zwei Familien von Antisemitismusbegriffen

Hinter dem Streit um geeignete Definitionen von Antisemitismus steht eine tiefe Spaltung im Verständnis des Gegenstands. Der Aufsatz zeichnet die Entstehung von zwei inkommensurablen Begriffsfamilien nach: substanzielle and abstrakt-formale Antisemitismusbegriffe. Der semantische Kern substanzieller Antisemitismusbegriffe besteht in Feindschaft gegenüber Juden (bzw. dem Judentum) als Juden (auch wenn dieses Negativverhältnis sich Ersatzobjekte wie Israel sucht). In der Vergangenheit schälten sich, vermittelt über Brückenkonzepte wie Kommunikationslatenz, abstrakt-formale Antisemitismusverständnisse heraus. Diese sehen beispielsweise bei bestimmten Formen von Kritik an Israel vor allem historische Verknüpfungen zu Judenfeindschaft. Diese ist aber keine notwendige Begriffsbestimmung mehr. Die axiomatische Spaltung hat analytische und ethische Blockaden für die Antisemitismusforschung und das Engagement gegen Antisemitismus zur Folge. Gefordert sind also Transparenz über die Grundlagen der Diskussion und die Anerkennung der Existenz konkurrierender Begriffe.



 

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Der Autor:
Peter Ullrich, Dr. phil. Dr. rer. med., Soziologe/Kulturwissenschaftler, Senior Researcher im Bereich Soziale Bewegungen, Technik, Konflikte am Zentrum Technik und Gesellschaft undFellow am Zentrum für Antisemitismusforschung (Technische Universität Berlin). Arbeitsschwerpunkte: Politische Soziologie, Protest- und Polizeiforschung, wissenssoziologische Analysen von Antisemitismus und Antisemitismusdebatten.
eMail: ullrich@ztg.tu-berlin.de