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Mit dem vorliegenden
Heft startet conflict & communication online in das zehnte
Jahr seines Erscheinens. Was wollten wir mit der Zeitschrift auf den Weg
bringen und was haben wir in den Jahren seit 2002 tatsächlich erreicht?
Vier Dinge waren für die Gründung der Zeitschrift ausschlaggebend
gewesen: (1) das Fehlen einer im deutschen Sprachraum erscheinenden, referierten
und transdisziplinären friedenswissenschaftlichen Zeitschrift, (2)
der Wunsch, einen Beitrag zur Demokratisierung von Wissenschaft zu leisten,
(3) das Unbehagen am Publikationsformat der meisten Mainstream-Journals
und (4) das Bestreben, eine friedenswissenschaftliche Grundlagenforschung
zu fördern.
Keine der beiden großen, bereits seit 1983 in Deutschland erscheinenden
friedenswissenschaftlichen Fachzeitschriften hatte zu diesem Zeitpunkt
ein Peer-review-Verfahren eingeführt. Wissenschaft & Frieden
ist zwar transdisziplinär ausgerichtet, kennt ein solches Verfahren
jedoch bis heute nicht, und Sicherheit und Frieden ist eine dezidiert
politikwissenschaftliche Zeitschrift, die erst seit ihrer Umstrukturierung,
2004, zumindest einen Anteil an referierten Aufsätzen publiziert.
Auch wenn conflict & communication online damit zunächst
eine Lücke auf dem deutschen Fachzeitschriftenmarkt ausfüllt,
war das Profil der Zeitschrift jedoch von vornherein darauf ausgerichtet,
nicht lediglich nationales, sondern internationales Profil zu gewinnen.
Deshalb arbeiten wir sowohl mit Deutsch als auch Englisch als Publikationssprachen.
Die Entscheidung darüber, in welcher der beiden Sprachen ein Aufsatz
publiziert wird, bleibt dem Autor überlassen. Eine Ausnahme von dieser
Regel bilden die seit 2004 erscheinenden Rezensionen, die immer in der
Sprache des rezensierten Buches publiziert werden.
Tatsächlich scheinen wir ein recht ausgewogenes Verhältnis von
deutschen und internationalen Beiträgen gefunden zu haben. Von den
87 Originalartikeln, die in den ersten neun Jahrgängen der Zeitschrift
erschienen sind, wurden 23% in deutscher Sprache, 75% auf Englisch und
2% in beiden Publikationssprachen veröffentlicht. 35% der Autoren
stammten aus Deutschland, die Mehrheit von 65% aus anderen Ländern,
und zwar aus den USA (12), aus Israel (9), aus Australien (5), aus Großbritannien
und Norwegen (je 4), aus Schweden und der Schweiz (je 3), aus Finnland
(2), aus Costa Rica, Griechenland, Kanada, Kirgisistan, Kolumbien, Österreich,
Uganda und Usbekistan (je 1).
Auch die Leserschaft der Zeitschrift ist weltweit gestreut. Die Downloadzahlen
sind seit 2002 kontinuierlich gestiegen und lagen 2009 bei mehr als 130.00
Seitenaufrufen von ca. 70.000 Besuchern aus Deutschland, Österreich,
den USA, Australien, Großbritannien, der Schweiz, den Niederlanden,
Norwegen, Schweden, Israel, Malaysia, Irland, Kanada, Belgien, Finnland,
der Türkei, Japan, Griechenland, Italien, Südafrika, Tschechien,
Frankreich, Neuseeland, der Ukraine, Indien, Polen, China, Russland, Portugal,
Ungarn, Dänemark, Taiwan, Bulgarien, Rumänien, Kirgisistan,
Spanien, Indonesien, Singapur und weiteren Ländern (in Reihenfolge
ihrer Häufigkeit).
Notwendige Voraussetzung für die Demokratisierung von Wissenschaft
in einer globalisierten Welt ist der freie Zugang zu wissenschaftlichen
Erkenntnissen. Die großen Verlagskonzerne nützen ihre Monopolstellung
auf dem Fachzeitschriftenmarkt geradezu schamlos aus und treiben die Zeitschriftenpreise
in Höhen, die nicht nur von Universitäten in der III. Welt,
sondern selbst von jenen in den europäischen Metropolen nicht oder
kaum noch bezahlbar sind. Die Unzufriedenheit damit hat uns veranlasst,
conflict & communication online als Open-access-Zeitschrift
zu gestalten, was damals noch ein rechtes Novum war. Ermöglicht wurde
dies durch die Veröffentlichung der Zeitschrift als elektronisches
Online-Journal und die Zusammenarbeit mit dem verlag irena regener berlin,
der es sich zum Ziel gesetzt hat, Qualitätsstandards jenseits des
Mainstreams zu setzen. Inzwischen wurde das Problem aber auch von einflussreichen
Förderinstitutionen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
und dem International Network for the Availability of Scientific Publications
(INASP) erkannt, mit deren Unterstützung sich das Open-access-Konzept
zu einer Art Massenbewegung entwickelt hat, die eine echte Alternative
zu den Mainstream-Journals der Großverlage bietet.
Nicht weniger verhängnisvoll als die Monopolstellung der großen
Verlagskonzerne ist das Publikationsformat der meisten Mainstream-Journals,
das eine Fragmentierung wissenschaftlicher Publikationen in immer kleinere
und kleinste Teilergebnisse geradezu vorprogrammiert und dazu geführt
hat, dass bei wissenschaftlichen Publikationen und deren Bewertung an
Stelle der Qualität immer mehr die Quantität den Ausschlag gibt.
Die Bedeutung, welche numerische Faktoren wie der Impact-Faktor und/oder
der Hirsch-Faktor in den letzten Jahren gewonnen haben, begünstigt
es, dass Forschungsergebnisse in immer kleinere publizierbare Einheiten
zerstückelt werden und viele der Mainstream-Publikationen an einem
verhängnisvollen Theoriedefizit leiden. Inzwischen hat diese Fragmentierung
ein solches Ausmaß erreicht, dass sich die DFG kürzlich gezwungen
sah, gravierende Maßnahmen dagegen zu ergreifen (Kleiner, 2010).
Ein Paradigmenwechsel, wie er von der DFG initiiert wurde, wird sich aber
nur dann durchsetzen können, wenn es auch geeignete Fachzeitschriften
gibt, die komplexere und umfangreichere Aufsätze veröffentlichen.
Aus diesem Grunde hat conflict & communication online schon
seit seiner Gründung und lange bevor die DFG nun die Initiative ergriffen
hat zwei Maßnahmen gesetzt, die der Fragmentierung wissenschaftlicher
Publikationen entgegenwirken sollen: (1) großzügige Vorgaben
bezüglich des Manuskriptumfanges, der mit 5.000 bis 10.000 Wörtern
deutlich höher liegt als bei den gängigen Mainstream-Journals
und der darüber hinaus auch flexibel gehandhabt wird, und (2) eine
Themenvorgabe, die Theorien, methodologische Ansätze und empirische
Befunde der unterschiedlichsten Disziplinen, die Konflikt und/oder Kommunikation
zum Forschungsgegenstand haben, zusammenführt und unter friedenswissenschaftlicher
Perspektive integriert. Nicht nur angewandte Forschung zu aktuellen Konfliktfeldern,
sondern zugleich auch die Etablierung einer transdisziplinären Grundlagenforschung
ist es, für die sich conflict & communication online als
Publikationsorgan bereitstellen will.
Wie weit diese Transdisziplinarität tatsächlich realisiert wurde,
lässt sich nur schwer beurteilen. Die disziplinäre Herkunft
unserer Autoren ist nur ein sehr grober Indikator dafür, sie lässt
aber doch erkennen, dass conflict & communication online über
disziplinäre Grenzen hinweg rezipiert und genutzt wird: 45,5% der
Autoren, die in den ersten neun Jahrgängen der Zeitschrift publiziert
haben, hatten ihren primären Hintergrund in Journalismus, Medien
und Kommunikationswissenschaften, 27,3% in Psychologie und 16,9% in Politikwissenschaften.
Die restlichen 10,3% verteilten sich auf Sprachwissenschaft, Erziehungswissenschaft
und Soziologie. In thematischer Hinsicht hatten 63,9% der Aufsätze
ihren Fokus auf empirischen und experimentellen Studien, 31,3% auf theoretischen
Fragen und 4,8% auf Methodologie und Methodenentwicklung.
Ein Paradigmenwechsel wie der oben angesprochene vollzieht sich nicht
einfach von heute auf morgen, sondern setzt bei Autoren und Lesern, bei
Herausgebern und Reviewern einen Lernprozess voraus. Die Fragmentierung
wissenschaftlicher Publikationen ist der gesamten scientific community
inzwischen so sehr ins Blut übergegangen, dass es vielen oft schwer
fällt, die Geduld aufzubringen, welche erforderlich ist, um komplexere
und umfangreichere Aufsätze durchzuarbeiten. Und solche Aufsätze
zu verfassen, impliziert erst recht, dass man sich von gängigen Publikationsschemata
lösen und kreative neue Formen finden muss.
Wie weit uns dies bisher gelungen ist, mag der Leser selbst beurteilen.
Erste Schritte haben wir sicher schon geleistet. Aber es liegt noch ein
langer Weg vor uns.
Konstanz
- Berlin
im März 2011
Wilhelm
Kempf
Literatur
Kleiner, Matthias
(2010)).Qualität statt Quantität. Die Publikationsflut schadet
der Wissenschaft. Die DFG antwortet nun auf ihre Weise: Unsere verbindlichen
Regeln für Literaturangaben in Förderanträgen und Abschlussberichten
sind ein Paradigmenwechsel. Forschung 1/2010, 2-3.
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