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Thomas Hanitzsch Von den meisten Kriegen
würden wir keine Notiz nehmen, wären da nicht die Journalisten,
die über sie berichten, und die Medien, die ihre Korrespondeten zum
Ort des Geschehens schicken. Gleichzeitig geht die Vorliebe der Medien
für Kriege und Konflikte häufig zu Lasten eines positiven Beitrags
zur Friedenschaffung. Das Konzept des Friedensjournalismus wird deshalb
als eine Alternative zur traditionellen Kriegsberichterstattung verstanden.
Der vorliegende Aufsatz macht jedoch deutlich, dass die Idee des Friedensjournalismus
nur alter Wein in neuen Schläuchen ist, auch wenn mit einem durchaus
noblen Ziel. Viele Protagonisten des Friedensjournalismus übersehen
häufig die mannigfaltigen Nuancen im Journalismus und heben das Außergewöhnliche,
Spektakuläre und Negative der Kriegsberichterstattung hervor. Sie
überschätzen den Einfluss der Journalisten und Medien auf die
politische Entscheidungsfindung, und sie begreifen das Publikum als eine
passive Masse, die mit den Mitteln des Friedensjournalismus aufgeklärt
werden muss. Darüber hinaus basiert die Idee des Friedensjournalismus
weitgehend auf einer übermäßig individualistischen Sicht,
wobei die strukturellen Zwänge im Journalismus aus dem Blick geraten:
Hierzu zählen ungenügende personelle, zeitliche und finanzielle
Ressourcen, redaktionelle Prozesse und Hierarchien, Zwänge der Nachrichtenformate,
die Verfügbarkeit von Quellen sowie der Zugang zum Geschehen und
generell zu Informationen. All dies deutet darauf hin, dass die Praxis
des Friedensjournalismus keine Frage der persönlichen Freiheit ist.
Medienstrukturen und professionelle Routinen können wohl kaum aus
der Position des individuellen Journalisten heraus verändert werden.
Moderner Journalismus manifestiert sich in Prozessen der organisierten
Nachrichtenproduktion, wobei den organisationalen und institutionellen
Faktoren Priorität eingeräumt wird, ebenso wie Prozessen der
beruflichen Sozialisation. Um einen ernstzunehmenden Beitrag für
die Kriegsberichterstattung und ihre kritische Reflexion leisten zu können,
muss auch Friedensjournalismus die strukturellen Bedingungen im Journalismus
berücksichtigen. Die Debatte um den Friedensjournalismus - und insbesondere
um die praktischen Implikationen muss an die Journalismusforschung
angeschlossen werden, wo ähnliche Anstrengungen zur journalistischen
Qualitätssicherung unternommen werden. |
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Adresse: Institut
für Publizistikwissenschaft und Medienforschung, Universität
Zürich, Andreasstrasse 15, 8050 Zürich, |
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