conflict & communication online, Vol. 5, No. 1, 2006
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Monika Spohrs
Über den Nachrichtenwert von Friedensjournalismus - Ergebnisse einer experimentellen Studie

Laut Nachrichtenwertforschung hängt die Publikations- und Lesenswürdigkeit von Nachrichtentexten von den Nachrichtenfaktoren der zu publizierenden Ereignisse ab. Als anerkannte Nachrichtenfaktoren gelten beispielsweise Negativität, Vereinfachung und Personifizierung. Friedensjournalistische Arbeiten weichen von diesen Kriterien oft ab, indem sie versuchen, die berichteten Ereignisse in ihrer Komplexität darzustellen, den Fokus nicht auf negative Ereignisse zu legen und auch strukturellen Themen Raum zu geben. Aber sind sie deshalb weniger publikationswürdig?
Der folgende Artikel zeigt anhand einer experimentellen Studie, welche Akzeptanz Friedensjournalismus beim Leser finden kann, auch wenn dies teilweise den Theorien der Nachrichtenwertforschung widerspricht. Des weiteren wird gezeigt, wie sich konstruktive Berichterstattung auf die mentalen Modelle der Rezipienten auswirkt und in welchem Zusammenhang diese beiden Ergebnisse miteinander stehen.
In der vorliegenden Studie wurden einer für die Leserschaft der deutschen Qualitätspresse hinsichtlich Alter und Bildungsgrad repräsentativen Stichprobe von n = 128 Versuchspersonen Zeitungsartikel zu drei verschiedenen Ereignissen im Konfliktfeld des ehemaligen Jugoslawien dargeboten. Zu jedem Ereignis wurden vier verschiedene Textvarianten verwendet: eine gemäßigt eskalationsorientierte Originalfassung aus einer deutschen Qualitätszeitung (Die Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung) und drei modifizierte Versionen dieser Artikel, (a) mit gemäßigt deeskalations-orientiertem Framing, (b) mit stark deeskalationsorientiertem Framing und (c) mit einer Verschärfung der Eskalationsorientierung der dargestellten Konflikte. Die Aufgabe der Vpn bestand darin, zu jedem der drei Ereignisse eine Textvariante zu lesen und danach in eigenen Worten schriftlich wiederzugeben und anschließend einen Fragebogen zu Akzeptanz, Glaubwürdigkeit, Ausgewogenheit, Neuigkeitsgehalt, Bewertung und Unterhaltungswert der Texte auszufüllen. Die mentalen Modelle der Vpn wurden mittels quantitativer Inhaltsanalyse der Nacherzählungen rekonstruiert.
Die Ergebnisse der Studie befürworten die Publikation friedensjournalistischer Arbeiten. Deeskalationsorientierte Texte wurden keineswegs weniger akzeptiert als die Original-Artikel, und das deeskalationsorientierte Framing der Konflikte spiegelte sich in den mentalen Modellen der Teilnehmer wider .

 

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Zur Autorin:
Monika Spohrs, geboren 1965 in Eppstein/ Hessen. 1999-2006 Studium der Psychologie und Medienwissenschaften an der Universität Konstanz. Seit 2002 Mitarbeiterin in der Projektgruppe Friedensforschung. Arbeitsschwerpunkt: Experimentelle Rezeptionsforschung. Aktuelle Publikationen: Reception and acceptance of constructive conflict coverage - Design of an experimental Study (gemeinsam mit Ute Annabring, 2004); Glaubwürdigkeit und Attraktivität von eskalations- und deeskalationsorientierten Nachrichtentexten (gemeinsam mit Burkhard Bläsi, Susanne Jaeger und Wilhelm Kempf, 2005).

Adresse: Fachbereich Psychologie, Universität Konstanz, D-78457 Konstanz.
eMail: Monika.Spohrs@uni-konstanz.de