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Monika Spohrs
Über den Nachrichtenwert von Friedensjournalismus - Ergebnisse
einer experimentellen Studie
Laut Nachrichtenwertforschung
hängt die Publikations- und Lesenswürdigkeit von Nachrichtentexten
von den Nachrichtenfaktoren der zu publizierenden Ereignisse ab. Als anerkannte
Nachrichtenfaktoren gelten beispielsweise Negativität, Vereinfachung
und Personifizierung. Friedensjournalistische Arbeiten weichen von diesen
Kriterien oft ab, indem sie versuchen, die berichteten Ereignisse in ihrer
Komplexität darzustellen, den Fokus nicht auf negative Ereignisse
zu legen und auch strukturellen Themen Raum zu geben. Aber sind sie deshalb
weniger publikationswürdig?
Der folgende Artikel zeigt anhand einer experimentellen Studie, welche
Akzeptanz Friedensjournalismus beim Leser finden kann, auch wenn dies
teilweise den Theorien der Nachrichtenwertforschung widerspricht. Des
weiteren wird gezeigt, wie sich konstruktive Berichterstattung auf die
mentalen Modelle der Rezipienten auswirkt und in welchem Zusammenhang
diese beiden Ergebnisse miteinander stehen.
In der vorliegenden Studie wurden einer für die Leserschaft der deutschen
Qualitätspresse hinsichtlich Alter und Bildungsgrad repräsentativen
Stichprobe von n = 128 Versuchspersonen Zeitungsartikel zu drei verschiedenen
Ereignissen im Konfliktfeld des ehemaligen Jugoslawien dargeboten. Zu
jedem Ereignis wurden vier verschiedene Textvarianten verwendet: eine
gemäßigt eskalationsorientierte Originalfassung aus einer deutschen
Qualitätszeitung (Die Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche
Zeitung) und drei modifizierte Versionen dieser Artikel, (a) mit gemäßigt
deeskalations-orientiertem Framing, (b) mit stark deeskalationsorientiertem
Framing und (c) mit einer Verschärfung der Eskalationsorientierung
der dargestellten Konflikte. Die Aufgabe der Vpn bestand darin, zu jedem
der drei Ereignisse eine Textvariante zu lesen und danach in eigenen Worten
schriftlich wiederzugeben und anschließend einen Fragebogen zu Akzeptanz,
Glaubwürdigkeit, Ausgewogenheit, Neuigkeitsgehalt, Bewertung und
Unterhaltungswert der Texte auszufüllen. Die mentalen Modelle der
Vpn wurden mittels quantitativer Inhaltsanalyse der Nacherzählungen
rekonstruiert.
Die Ergebnisse der Studie befürworten die Publikation friedensjournalistischer
Arbeiten. Deeskalationsorientierte Texte wurden keineswegs weniger akzeptiert
als die Original-Artikel, und das deeskalationsorientierte Framing der
Konflikte spiegelte sich in den mentalen Modellen der Teilnehmer wider
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Zur Autorin:
Monika Spohrs, geboren 1965 in Eppstein/ Hessen. 1999-2006 Studium der
Psychologie und Medienwissenschaften an der Universität Konstanz.
Seit 2002 Mitarbeiterin in der Projektgruppe Friedensforschung. Arbeitsschwerpunkt:
Experimentelle Rezeptionsforschung. Aktuelle Publikationen: Reception
and acceptance of constructive conflict coverage - Design of an experimental
Study (gemeinsam mit Ute Annabring, 2004); Glaubwürdigkeit und Attraktivität
von eskalations- und deeskalationsorientierten Nachrichtentexten (gemeinsam
mit Burkhard Bläsi, Susanne Jaeger und Wilhelm Kempf, 2005).
Adresse: Fachbereich
Psychologie, Universität Konstanz, D-78457 Konstanz.
eMail: Monika.Spohrs@uni-konstanz.de
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