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Österreichisches
Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ed), 2005. Die
Wiedergeburt Europas. Von den Geburtswehen eines emanzipierten Europas
und seinen Beziehungen zur "einsamen Supermacht". Münster:
Agenda.
Welche Rolle soll/darf/will/kann
Europa in dieser gewandelten Welt spielen, so lautet die zentrale Frage
dieser Publikation. Nicht die einer zweiten Supermacht, also kein Pendant
zu den kriegsbegeisterten, hochgerüsteten USA, dem Weltpolizisten
à la carte - darüber sind sich die zahlreichen namhafte Autoren,
darunter Ernst-Otto Czempiel, Ekkehart Krippendorff, Gerald Mader, Ottfried
Nassauer, Werner Ruf u.a.m., einig. Jedoch auch darüber, dass sich
Europa bzw. die Europäische Union mit der gemeinsamen Außen-
und Sicherheitspolitik genau in diese Richtung zu entwickeln droht! Die
Zeichen stehen auf Sturm - ist das Ende des Traums von einer europäischen
Zivilmacht nahe?
Klammheimlich wollen wir immer schlagkräftiger werden; wollen zeigen,
dass wir auch mitmischen können im "befrieden" der friedlosen
Welt. Vergessen scheint beispielsweise die Erklärung zum Selbstverständnis
der EU anlässlich des Gipfels von Laeken, in der hehre Ziele verewigt
wurden wie jenes, dass das geeinte Europa zwar die Rolle einer Weltmacht
spielen sollte, jedoch die einer humanitären - ein Kontinent der
Vielfalt, Freiheit, Solidarität und gegenseitiger Achtung also. Europa
als Macht, die jeder Form von Gewalt, Terror und Fanatismus den Kampf
ansagt und, anstatt die Augen vor jeglichem Unrecht auf der Welt zu verschließen,
die Verhältnisse für alle Länder zum Vorteil verändern
möchte; kurzum: eine Macht, die der Globalisierung durch Solidarität
und nachhaltige Entwicklung einen ethischen Rahmen geben will.
Heute hingegen tönt der Ruf nach "Coalitions of the Willing"
und "War on Terrorism" aus den Lautsprechen der alten Welt,
die scheinbar willfährig und gehorsam sich den Vorgaben der Militarisierungsmaschinerie
aus Übersee anzupassen bereit ist. Darf das die Zukunft des vereinten
Europas sein?
Blickt man ausgehend von der kriegerischen Vergangenheit unseres Kontinents
nunmehr auf die Gegenwart, da ehemalige Kriegsgegner und verfeindete Staaten
näher zusammenrücken als je erträumt, so sollte man meinen,
dass sich Europa wie Phönix aus der Asche in neuem Glanz erhebt und
mit frischer Energie ans friedvolle Werk schreitet. Doch statt mit gestärktem
Selbstbewusstsein europäische Antworten auf globale Herausforderungen
zu suchen, begibt sich der Kontinent blindlings in US-amerikanische Geiselhaft
und lässt sich beinahe naiv auf militärisches Wettrüsten
als Allheilmittel der Weltpolitik ein. Jedoch drohen gerade durch eine
derartige gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in der EU-Verfassung
zahlreiche Gefahren, deren Konsequenzen wie ein Damoklesschwert über
dem ganzem Globus schweben: Krieg als Mittel der Politik wird weiter enttabuisiert,
ja sogar als ggf. unausweichliches Mittel legitimiert. Die EU-Mitgliedsstaaten
verpflichten sich zur uferlosen nationalen Aufrüstung, was in absehbarer
Zeit weltweit neue Rüstungsdynamiken provozieren wird, nicht zuletzt
weil eine gemeinsame EU-Außen- und Sicherheitspolitik die eigenmächtige
militärinterventionistische Lösung regionaler und lokaler Krisen
bedeuten könnte. All das ist freilich Wasser auf die Mühlen
der weltweiten Gewalt!
In der vorliegenden Publikation setzen sich zahlreiche Experten aus der
Friedens- und Militärwissenschaft, des Völkerrechts, der Gewerkschafts-
und Friedensbewegung kritisch mit der Entwicklung Europas - den Chancen
und Risiken - auseinander. Ausgehend von einer vielfältigen und tiefgründigen
Analyse des außen- und sicherheitspolitischen Weg Europas, erarbeiten
sie Optionen des Kontinents im transatlantischen Verhältnis und zeigen
argumentativ und wissenschaftlich fundiert, dass die Medaille immer zwei
Seiten hat.
Ursula
E. Gamauf
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