conflict & communication online, Vol. 4, No. 1, 2005
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Sonia Gutiérrez-Villalobos
Konflikt- und kooperationsorientierte Berichterstattung: Der Rio-San-Juan-Konflikt

Dieser Beitrag analysiert die Medienberichterstattung über den Rio-San-Juan-Konflikt zwischen Costa Rica und Nicaragua. Hierbei handelt es sich um einen lang andauernden Konflikt um die Verwaltung eines Flussbeckens, welches sich entlang der Grenze der beiden Länder erstreckt. Im März 2002 vereinbarten die Regierungen, von einer konfrontativen zu einer kooperativen Strategie überzuwechseln.
Das Ziel dieser Studie ist es, zu untersuchen, wie die costa-ricanische Presse über den Konflikt sowohl während der Konfrontationsphase als auch nach dem Wechsel zu einer kooperativen Strategie berichtete. Dabei ist das Augenmerk insbesondere auf die jeweilige Konflikt- bzw. Kooperationsorientierung der Berichterstattung gerichtet. Ausgewählt wurden zwei große Zeitungen: La Nación (LN) und La República (LR).
Inhaltsanalytisch ausgewertet wurden 81 Nachrichtenmeldungen aus zwei verschiedenen Zeiträumen:
- Juli 1998 - Phase der Konfrontation, und
- Juni 2002 - Phase der Kooperation.
In der Studie wurde eine zweidimensionale Skala angewendet, die 12 Sets von Indikatoren beinhaltet. Jeweils sechs Sets indizieren je eine konfliktorientierte bzw. eine kooperationsorientierte Berichterstattung über den Konflikt.
Die Ergebnisse der Analyse der Berichterstattung von 1998 weisen eher auf eine Unterstützung von Konflikt und Konfrontation hin als von Kooperation:
- In der Analyse der LN von 1998 ist die konflikt- und konfrontationsorientierte Berichterstattung im Vergleich zur kooperationsorientierten Berichterstattung stärker, sowohl bezüglich der Variable "Konzeptualisierung des Rio-San-Juan-Konflikts" als auch der Variable "negative Bewertung der nicaraguanischen Handlungen". Somit dominiert in dieser Zeitung eine konfliktorientierte Berichterstattung.
- Die Analyse der LR von 1998 zeigt die Dominanz einer konfliktorientierten Berichterstattung in drei Variablen: den höchsten Score weist die Variable "Bewertung der nicaraguanischen Handlungen" auf, gefolgt von "Bewertung der nicaraguanischen Rechte und Intentionen" und "negative Emotionen". Dagegen deutet die Variable "Konzeptualisierung des Rio-San-Juan-Konflikts" eher auf eine Kooperations- als auf eine Konfliktorientierung hin.
Insgesamt indizieren vier Variablen eine konfliktorientierte und eine Variable eine kooperationsorientierte Berichterstattung.
Die Ergebnisse der Analyse der Berichterstattung von 2002 offenbaren einen Rückgang der konfliktorientierten Berichterstattung zugunsten der kooperationsorientierten:
- In der LN zeigt sich dies in der Konzeptualisierung des Rio-San-Juan-Konflikts: Die Variable "Konzeptualisierung des Rio-San-Juan-Konflikts" indiziert überwiegend Kooperation. Im Jahr 2002 dominiert nach keiner Variable eine konfliktorientierte Berichterstattung. LN wechselt folglich von einer konfliktorientierten zu einer kooperationsorientierten Berichterstattung, nachdem sich die politische Agenda von Konfrontation zu Kooperation verschoben hat.
- In der LR manifestiert sich eine Dominanz der konfliktorientierten Berichterstattung in zwei Variablen und eine Kooperationsorientierung in der Variable "Konzeptualisierung des Rio-San-Juan-Konflikts".
Insgesamt zeigt sich in zwei Variablen noch immer ein Übergewicht einer konfliktorientierten Berichterstattung, während zwei Variablen eine Kooperationsorientierung aufweisen.
Im Ergebnis lassen sich zwei Tendenzen identifizieren:
1. ein Rückgang der konfliktorientierten zugunsten einer kooperationsorientierten Berichterstattung
2. die Resistenz gegenüber einer kooperationsorientierten , obwohl sich die politische Agenda in Richtung Kooperation verändert hat.
Die Ergebnisse sind hilfreich, um den Beitrag der costa-ricanischen Presse zur Förderung von Kooperation und zur Deeskalation von Konflikten zu bewerten. Frieden ist ein wichtiges Leitprinzip der Außenpolitik Costa Ricas. Im Unterschied zu Befunden, nach denen Medien als Werkzeug für Politiker fungieren, bleiben die beiden Zeitungen LN und LR hinter der Politik, die Kooperation und Frieden befürwortet, zurück und statt dessen der medientypischen Präferenz für Konflikt, Konfrontation und Dramatik verhaftet. Ihre Resistenz gegenüber einer kooperationsorientierten Berichterstattung wird zudem durch ihre Beharrlichkeit, das Rio-San-Juan-Becken als ein Grenzflussbecken anzusehen, verdeutlicht: Die Region als Flussbecken zu konzeptualisieren, ist immer noch eine Innovation. Innovationen rufen normalerweise Widerstand hervor, und entsprechend reagierten beide Zeitungen mit Widerstand auf diese Innovation.

 

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Zur Autorin:
Sonia Gutiérrez Villalobos, Ph.D., geb. 1948 in Puntarenas, Costa Rica. 1976 Lizentiat in Literaturwissenschaften an der Universidad de Costa Rica (UCR). 1990 M.A. in Kommunikationswissenschaften an der University of Kentucky. 1995 Ph.D. in Kommunikationswissenschaften an der University of Massachusetts. Arbeitet derzeit am Instituto de Investigaciones Sociales (IDESPO) an der Universidad Nacional de Costa Rica (UNA). Publikationen u. a.: Support for the U.S. Administration During the Panama Invasion: Analysis of Strategic and Tactical Critique in the Domestic Press (1994, zusammen mit Rush und Hertog), Three Theories to Test Press Support (1996), Los Medios y la Cultura de Paz (2001, zusammen mit Kempf), Media and Reconciliation in Central America (2002, in: Gilboa, Media Diplomacy in the Arab-Israeli Conflict).

Adresse: Apdo 1882-3000, Heredia, Costa Rica. eMail: sgutierr@una.ac.cr