conflict & communication online, Vol. 3, No. 1 & 2, 2004
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Ute Annabring, Burkhard Bläsi & Jutta Möckel
Die deutsche Presseberichterstattung über das ehemalige Jugoslawien nach dem Fall Miloševics

Jeder Krieg, der im Verlauf der letzten Jahrzehnte im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stand (wie die Kriege in Vietnam, am Golf 1991, in Bosnien, im Kosovo, in Afghanistan oder im Irak), zog eine große Zahl an Forschungsarbeiten nach sich, in denen die Medienberichterstattung zu Zeiten des Krieges analysiert wurde. In auffälligem Gegensatz dazu sind Studien, die sich mit der Berichterstattung über Nachkriegsprozesse beschäftigen, rar gesät. Die vorliegende Arbeit stellt einen Versuch dar, diese Kluft ein wenig zu verringern. Es werden die Ergebnisse sowohl einer quantitativen wie einer qualitativen Untersuchung der deutschen Presseberichterstattung über das ehemalige Jugoslawien vorgestellt, die sich auf den Zeitraum vom Sturz von Miloševic im Oktober 2000 bis zum Abkommen zwischen Serbien und Montenegro im März 2002 beziehen.
Während Deutschland im Jahr 1999 noch Teil der Militärallianz war, die Serbien bombardierte, um Miloševics Politik im Kosovo zu stoppen, bedeutete der Sturz von Miloševic einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen Deutschland und dem sich nun demokratisierenden Jugoslawien. Im Zentrum der quantitativen Studie stand die Frage, wie die deutschen Medien diesen Prozess der Wiederannäherung, Demokratisierung und Versöhnung begleiteten. Wie flexibel reagierte die deutsche Presse auf die sich verändernde politische Situation? Unterstützten die Medien eine konstruktive Transformation des Konflikts mit dem ehemaligen Jugoslawien? Stellvertretend für die deutsche Qualitätspresse wurden hierfür 483 Artikel aus der Frankfurter Rundschau ausgewählt, welche mit der modifizierten Version eines Kodierschemas analysiert wurden, das von der Forschungsgruppe entwickelt und schon in früheren Studien angewendet worden war (Kempf et al., 1999). Die statistische Auswertung erfolgte mittels Latent Class Analysis. Die Ergebnisse zeigen, dass Berichterstattung über konfrontatives serbisches Verhalten und eine kritische Beurteilung der serbischen Seite in der Nachkriegszeit immer noch häufig vertreten sind, zugleich ist aber auch eine eindeutige Unterstützung und Anerkennung des demokratischen Wandels zu verzeichnen.
Die qualitative Analyse richtete einen besonderen Fokus auf die Identifikation von konstruktiven, deeskalationsorientierten Aspekten in der Berichterstattung. Aus fünf deutschen Qualitätszeitungen wurden 23 Artikel ausgewählt, die sich auf vier wesentliche Themenkomplexe innerhalb des besagten Zeitraums bezogen: die politische Wende in Belgrad; den Konflikt in Südserbien; die Verhaftung von Miloševic und seine Auslieferung nach Den Haag; sowie das Abkommen zwischen Serbien und Montenegro. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Journalisten prinzipiell über ein großes Repertoire an journalistischen Mitteln verfügen, welche eine konstruktive Berichterstattung ermöglichen, und dass sie davon auch Gebrauch machen, wenn Frieden auf der politischen Agenda steht.

 

  englischer Volltext  
 
Zu den Autoren: Ute Annabring, Dipl.Psych., geb. 1966 in Kamen/Westfalen, Studium der Psychologie (Hauptfach) und Kriminologie (Nebenfach) an der Universität Konstanz, Diplom 2000, Diplomarbeit mit dem Titel "Protagonisten und Konfliktkonstellationen im israelisch-palästinensischen Friedensprozess". Seit 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Projektgruppe Friedensforschung an der Universität Konstanz in dem - von der DSF geförderten - Projekt "Nachrichtenmedien als Mediatoren von Demokratisierung, Peace Building und Versöhnung in Nachkriegsgesellschaften - Entwicklung eines friedensjournalistischen Modells." Mitarbeit bei Design und Durchführung einer experimentellen Studie zur Rezeption und Akzeptanz konstruktiver Berichterstattung beim Publikum.
Burkhard Bläsi, Dipl.-Psych., geb. 1973, Studium der Psychologie und Soziologie an der Universität Konstanz und der University of Bath/UK. Forschungsinteressen: gewaltfreie Konfliktbearbeitung; Konflikt und Medien. Derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter der Projektgruppe Friedensforschung Konstanz, Promotionsprojekt zum Thema "Friedensjournalismus und Medienrealität".
Jutta Möckel, geb. 1970 in Karlsruhe; Wirtschaftsassistentin, derzeit Studium der Psychologie an der Universität Konstanz. 2003-2004 Mitarbeit in der Projektgruppe Friedensforschung an der Universität Konstanz.

Adressen: Ute Annabring, Fachgruppe Psychologie, Universität Konstanz, D-78457 Konstanz.
eMail: ute@annabring.de
Burkhard Bläsi, Universität Konstanz, Projektgruppe Friedensforschung, D-78457 Konstanz.
eMail: burkhard.blaesi@uni-konstanz.de
Jutta Möckel, eMail: