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Österreichisches
Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ed.), Gute Medien
- Böser Krieg ? Medien am schmalen Grat zwischen Cheerleadern des
Militärs und Friedensjournalismus. 2007. Münster: LIT.
Terroristische Anschläge
und eskalierende politische Konflikte, deren Lösung mit militärischen
Eingriffen zu erzwingen versucht wird, sind in den heutigen Medien allgegenwärtig.
Hinzu kommt eine immer schnellere Veränderung unserer Medienlandschaft
durch Satellitenübertragung und Internet, in Verbindung mit von den
Medien transportierten Falschinformationen wie beispielsweise der "Brutkasten-Story"
von 1990 oder dem "Brotschlangen-Massaker" von 1992. Eine sorgfältige
Auseinandersetzung damit ist dringend erforderlich, um weitere "Öl-ins-Feuer"-Phänomene
zu vermeiden. Dies tun nicht nur Medien- und Politikwissenschaftler auf
der ganzen Welt, sondern auch Journalisten, Politiker, Sprachwissenschaftler
und ein großer Teil der internationalen Öffentlichkeit.
Der vorliegende Sammelband "Gute Medien - Böser Krieg?"
entstand im Juli 2006 im Rahmen der 23. Internationalen Sommerakademie
des Friedenszentrums Burg Schlaining im südlichen Burgenland, wo
sich über 350 Besucher und Forscher in diversen Arbeitsgruppen mit
Themen wie Pressefreiheit, Demokratie, Kriegsberichterstattung, Aufgaben
und Funktion der Medien, Produktionsbedingungen journalistischer Arbeit,
sprachlichen und strategischen Aspekte von Berichterstattung auseinandersetzten.
Das Buch ist in vier Teile gegliedert, die jeweils unterschiedlichen Themenkomplexen
zugeordnet sind. Einen Schwerpunkt des Buches stellt die Aufgabe der Medien
in ihrer Rolle als 4. Gewalt sowohl unter normativen Aspekten als auch
in ihrer konkreten Umsetzung dar. Diesem Thema ist vorwiegend der erste
Teil gewidmet. Im zweiten Teil werden darüber hinaus die Produktionsbedingungen
journalistischer Arbeit beleuchtet, insbesondere die Situation von Journalisten
in Krisengebieten. Ergänzend zu den Analysen westlicher Nachrichtenmedien
werden im dritten Teil des Buches auch arabische Sender anschaulich beschrieben.
Erweitert werden diese Erkenntnisse im vierten Teil durch medienpolitische
Konzepte zu einer konfliktsensitiven Berichterstattung, durch konkrete
Beispiele für misslungenen objektiven Journalismus und durch Forderungen,
die sich daraus für die Zukunft ergeben.
Zur Einführung stellt Thomas Roithner in seinem Vorwort den Zusammenhang
zwischen den Beiträgen und aktuellen Entwicklungen der Medienproduktion
und -übertragung her.
Gerald Mader erörtert die Grundkonzeption von Burg Schlaining hinsichtlich
der europäischen Friedenspolitik und der geplanten Friedensuniversität.
Er diskutiert Begriffe wie Frieden, Friedenspolitik, Friedensforschung,
humanitäre Interventionen sowie die Politik der Bush-Regierung und
bestärkt die Relevanz der Thematik der Sommerakademie mit Forderungen
nach gesellschaftlichem Umdenken und dem entsprechenden Beitrag der Medien.
Freimut Duve, Medienbeauftragter der OSZE, geht auf die zunehmende Kommerzialisierung
der Medien zu Lasten der Qualität der Berichterstattung ein und schlägt
einen historischen Bogen vom ersten zielgerichteten Einsatz der Medien
am Beispiel Adolf Hitlers bis zur Berichterstattung über das Ende
der Sowjetunion. Er beschäftigt sich mit der Verantwortung von Journalisten
und fordert eine Auseinandersetzung mit Fragen nach der Grenze zwischen
Information und Unterhaltung, der Grenze der Unabhängigkeit einer
Publikation, der Bedeutung von Kriegsjournalismus für den Rezipienten,
mit Mechanismen moderner Kriegsberichterstattung und ihren Folgen für
politische Prozesse und insbesondere damit, welche Funktion Feindbilder
für die Beteiligten und Journalisten haben.
Der erste Teil des Buches liefert ein allgemeines Bild über die Entwicklung
der Berichterstattung seit dem 19.Jahrhundert, Positionen zur Funktion
der Medien in ihrer Rolle als 4. Gewalt und Informationen über die
Besonderheiten von Kriegsberichterstattung und den Zusammenhang zwischen
Medien und Hegemonie.
Mira Beham erläutert die Funktion der Medien als Informationsquelle
für die Bevölkerung und skizziert einen Abriss der Entwicklung
und Veränderungen der Berichterstattung seit dem amerikanischen Sezessionskrieg.
Dabei beleuchtet sie Aspekte wie Geschwindigkeit der Nachrichtenlieferung,
Bedeutung der Fotografie in der Kriegsberichterstattung; Propaganda, die
im 2. Weltkrieg ein neues Ausmaß durch die Fernsehübertragung
gewann, die "embedded journalists"-Thematik und Einflüsse
der aktuellen Internetnachrichtenproduktion. Sie schließt ihren
Beitrag mit einem Katalog von Kriterien zur Messung der Qualität
einer Berichterstattung.
Heinz Loquai ergänzt seine Darstellung der Funktion der Medien um
die Forderung nach ihrer Verantwortung für eine wahrheitsgemäße
faire Berichterstattung. Er geht insbesondere auf Manipulationstechniken
wie die Verwendung von Metaphern und Euphemismen und die besondere Wirkung
von Bildern in der Berichterstattung ein und veranschaulicht diese Mechanismen
an vier konkreten Beispielen aus der deutschen Presse.
Der letzte Autor des ersten Teils, Werner Ruf, stellt den Zusammenhang
zwischen Hegemonie im Sinne von Dominanz im Bewusstsein und Medien her.
Er beschreibt Auswirkungen von Hegemonie wie beispielsweise den Verlust
politisch-emanzipatorischer Bestrebungen, welchen Stellenwert der gesunde
Menschenverstand dabei hat und wie er solchen Effekten entgegenwirken
kann. Anhand der Lasswell-Formel erläutert er die Aufrechterhaltung
und Verstärkung der Hegemonie durch die Medien und welchen Einfluss
Informationsmonopole auf die Themenpräsenz der Nachrichten ausüben.
Abschließend beschreibt er Ansätze für eine mögliche
Gegentendenz zur vorhandenen Hegemonie und nennt reale Beispiele wie Friedensdemonstrationen,
den arabischen Sender Al-Jazira oder die Kritik der Medien am Irak-Krieg
als bestehende "Gegenöffentlichkeit".
Im zweiten Teil des Buches erhält der Leser detaillierte Informationen
über die strategische Manipulation der Medien sowohl durch das US-Militär
als auch durch die US-Regierung.
Jürgen Rose erörtert Propagandamethoden wie direkte und indirekte
Zensur, Desinformation und Manipulation und stellt anhand der "Joint
Doctrine for Public Affairs" des Pentagon und einer "Air Force
Doctrine" die Vorschriften für die Handhabung von Informationslieferungen
für die Öffentlichkeit vor. Darüber hinaus beschreibt er
das "embedding-project" für Journalisten, welche Privilegien
die teilnehmenden Berichterstatter erhielten und welchen Auflagen sie
sich verpflichten mussten. Er schließt seinen Beitrag mit einem
Ausblick auf die regierungs- und militärgesteuerte Informationspolitik,
welche bereits für den möglichen Krieg gegen den Iran eingesetzt
wurde.
Thomas Seifert beschreibt am Beispiel des "Krieges gegen den Terror"
die Vorgehensweise der US-Regierung gegenüber Medien und Journalisten.
Sein Beitrag ergänzt das "embedded-project" noch um konkrete
Sicherheitsprobleme für Journalisten in Krisengebieten und Grundsätze,
welche die Medienunternehmen diesbezüglich beachten sollten.
Der dritte Teil des Buches setzt sich mit der Entwicklung der arabischen
Medien auseinander, insbesondere mit dem Sender Al-Jazira und dem Einfluss
der Satellitentechnik auf die Berichterstattung.
Aktham Suliman geht auf die Rolle der Medien und insbesondere des Senders
Al-Jazira nach dem 11. September ein. Er skizziert die Entwicklung der
arabischen Fernsehsender davor und welche Veränderungen sich danach
für Al-Jazira ergeben haben. Dabei betrachtet er den Sender aus drei
Blickwinkeln: 1. der Sicht der Anderen auf Al-Jazira, 2. des Blicks des
Senders auf sich selbst und 3. des Blicks von Al-Jazira auf die Anderen.
Karin Kneissl charakterisiert die Berichterstattung in den arabischen
Staaten und deren Veränderung durch technische Einflüsse wie
die Verbreitung der Satellitensender und stellt dabei ihre Perspektive
auf Al-Jazira dar. Sie liefert ein anschauliches Bild der Inhalte arabischer
Sender, vergleicht verschiedene Länder wie Ägypten, Algerien,
Libanon, Saudi Arabien und Tunesien und erläutert die Rolle des Weblog
als Medium des Protests gegen das Regime.
Abschließend werden im 4. Teil des Buches zunächst verschiedene
normative Anforderungen an einen konfliktsensitiven Journalismus erörtert,
ein konkretes Beispiel für die Missachtung einer objektiven Berichterstattung
beschrieben und die Rolle der UNO bei der Verbreitung von Informationen
beleuchtet.
Nadine Bilke erläutert, inwiefern Massenmedien die Basis für
die Meinungs- und Willensbildung darstellen und welche besondere Verantwortung
sich daraus für die Trias Journalismus, Medienorganisation und Publikum
ergibt. Des Weiteren stellt sie konkrete Forderungen für die praktische
Umsetzung eines friedensjournalistischen Konzepts auf, welche v.a. unter
Transparenz, Wahrhaftigkeit, allparteilicher Perspektive und dem Vermeiden
von Konkurrenzlogik in der Konfliktkonzeptualisierung zusammengefasst
werden können.
Andreas Zumach liefert als Fallbeispiel für die Missachtung objektiver
Berichterstattung die Darstellung des Irans in der Presse und erläutert
anhand der fünf Aspekte Kontext, Fakten, Interpretation von Begriffen
und Äußerungen, Personalisierung und Lösungsvorschläge,
welches Bild dadurch vom Iran erzeugt wurde. Er belegt seine Ausführungen
über die ökonomisch-strategischen Aspekte mit überzeugenden
Zahlen und ergänzt sein Kapitel mit dem Beispiel einer gelungenen
Darstellung konkreter Lösungsansätze für die Deeskalation
des Iran-Konflikts in der Berliner "tageszeitung".
Hans-Christoph Graf Sponeck betrachtet das Wirken der UNO und im Besonderen
des Sicherheitsrates und deren Einflüsse auf die Kriegsentwicklung
im Irak. Letztlich leitet er aus stattgefundenem Fehlverhalten zehn konkrete
Konsequenzen für Politik, Medien und Zivilgesellschaft ab.
In dem hier vorgestellten Band "Gute Medien - Böser Krieg"
wird auf eindrückliche Weise ein umfassendes Bild sowohl der westlichen
als auch der arabischen Kriegsberichterstattung gezeichnet und anhand
realer Beispiele veranschaulicht. Insbesondere der Einfluss des Militärs
und politischer Organisationen werden deutlich. Fälle konfliktverschärfender
Berichterstattung werden an konkreten Darstellungen aufgezeigt und klare
Konsequenzen daraus abgeleitet. Die abgeleiteten Forderungen wenden sich
nicht nur an Journalisten und Medienunternehmen, sondern darüber
hinaus auch an Politik und Zivilgesellschaft.
Mit dieser Vielschichtigkeit setzt sich das Buch von vielen anderen eher
einseitig auf einen speziellen Bereich wie die Medienproduktion oder politische
Analysen fokussierten Werken ab und gibt einen facettenreichen Überblick.
Die Beiträge werden überwiegend durch hervorragend recherchierte
Fakten gestützt.
Alle Autoren präsentieren ihre Thematik spannend und gut verständlich.
Einzig das Kapitel von Werner Ruf erfordert zu Beginn ein wenig Durchhaltevermögen,
da der Zusammenhang zwischen Hegemonie und Medienproduktion nicht sofort
ersichtlich wird. Der Einstieg wirkt zunächst eher ideologisch, jedoch
nach den ersten Seiten wird die Medienrelevanz deutlich.
Insgesamt stellen die umfangreichen Informationen aus den verschiedenen
Themenbereichen eine interessante Lektüre auch für Spezialisten
auf einzelnen Gebieten der Friedensforschung dar und ergänzen sich
gegenseitig ausgezeichnet.
Dieses Buch kann das Kontextwissen von Friedenswissenschaftlern jeglicher
Disziplinen bereichern.
Monika
Spohrs
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