conflict & communication online, Vol. 7, No. 1, 2008
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Solveig Steien
"Beinahe im Krieg". Der Mohammed-Karikaturen-Streit in den norwegischen Medien

Im Januar und Februar 2006 erlebten die Norweger die Verbrennung ihrer nationalen Fahne in Palästina und die Verbrennung norwegischer Botschaften und Konsulate in Syrien, dem Libanon und dem Iran aus dem einfachen Grund weil zwölf dänische Mohammed-Karikaturen der Jyllands-Posten in Norwegen nachgedruckt worden waren; die Karikaturen wurden drei Monate nach ihrem ursprünglichen Erscheinen in Dänemark in der unbedeutenden christlichen Wochenzeitung Magazinet veröffentlicht. Im Februar 2006 wurden die norwegischen ISAF-Streitkräfte angegriffen. Dieser Konflikt hatte einen überraschenden Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik und die norwegische Veröffentlichung der Karikaturen löste eine globale Eskalation des Streits aus; Norwegische Zeitungen schrieben, dass sich das Land "beinahe im Krieg" befinde.
In meiner Studie habe ich untersucht, wie einige führende norwegische Zeitungen (Aften, Aftenposten, Dagbladet, Dagens Næringsliv, Dagsavisen and VG) diese unerwartete Krise dargestellt haben, und basierend auf der Unterscheidung zwischen Kriegs- und Friedensjournalismus die verschiedenen Diskurse analysiert, die zu einem substantiellen Teil der Medienberichterstattung wurden.
Das Konzept des Kriegs- vs. Friedensjournalismus wurde zwar ursprünglich nicht als Analyseinstrument für Medientexte oder Photographien entwickelt, sondern als praktisches Hilfsmittel für Journalisten in Konflikt- und Kriegssituationen. Gleichwohl bietet es eine Grundlage, auf welcher die Ergebnisse journalistischer Arbeit begutachtet und mit den professionellen Normen und ethischen Codes der Medien verglichen werden können. Zugleich zeigen das Aufkommen von Diskursen wie "Kampf der Kulturen", "Meinungsfreiheit", "wir" vs. "sie", z.B. "wir" vs. die Muslime, und die von der Presse verwendeten Quellen eine gute Passung mit dem Konzept.
Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf Leitartikeln und Kommentaren ebenso wie auf inländischen Reportagen und Korrespondentenberichten. Mit der Analyse der Artikel verfolgte ich zugleich das Ziel, einige Bereiche zu skizzieren in denen das Konzept des Friedens- vs. Kriegsjournalismus einer Weiterentwicklung bedarf um ein umfassenderes und/oder adäquateres Instrument der Medienanalyse abzugeben.
Im Februar 2008 flammte der Konflikt in Dänemark erneut auf. In Reaktion auf von der dänischen Geheimpolizei so genannte konkrete Attentatspläne gegen Jylland-Postens Karikaturisten Kurt Wesetergaard, haben einige größere dänische Zeitungen die Mohammed-Karrikaturen am 13. Februar 2008 nachgedruckt um damit ihrer Solidarität mit dem Karikaturisten Ausdruck zu verleihen und gegen "'terroristische' Bedrohung" zu protestieren, "welche die Unterbindung der Meinungsfreiheit zum Ziel habe" (jp.dk., February 13, 2008).

 

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Zur Autorin:
Solveig Steien (b. 1955) ist eine norwegische Journalistin und Lehrbeauftrage am Oslo University College, Department of Journalism. In ihrer Dissertation "When Norway Was Almost at War, the Mohammed cartoons Controversy in Norwegian Newspapers" (Juni 2007) untersuchte sie, wie sechs überregionale norwegische Zeitungen im Winter 2006 über den Mohammed-Karikaturen-Streit berichteten. Solveig Steien ist Mitglied der internationalen Abteilung des norwegischen Schriftstellerverbandes.

eMail: solveig.steien@gmail.com