conflict & communication online, Vol. 6, No. 2, 2007
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

David Loyn
Qualitätsjournalismus oder Friedensjournalismus?

Der Aufsatz argumentiert gegen die präskriptiven Vorstellungen des Friedensjournalismus; insbesondere gegen seine exklusive Natur und den Versuch, sich als eine neue Orthodoxie zu verstehen; und beschäftigt sich zu weiten Teilen mit der Kritik der Arbeiten von Jake Lynch und Annabel McGoldrick, wie sie 2005 in Buchform sowie in ihren früheren Reporting the World-Schriften veröffentlicht sind. Während Lynch & McGoldrick alle anderen Arten der Berichterstattung als ‚Kriegsjournalismus' verdammen, der zugunsten des Krieges verzerrt sei, halte ich dagegen, dass Friedensjournalismus das Gegenteil von Qualitätsjournalismus ist.
Viele der Argumente des Friedensjournalismus sind aus den Arbeiten von Johan Galtung abgeleitet, der die ‚Kriegsjournalisten' beschuldigt, über Krieg in geschlossenem Raum und geschlossener Zeit, ohne Kontext und unter Vernachlässigung von Friedensinitiativen zu berichten und Kriege ‚undurchsichtig/geheim' zu machen. Insbesondere fordert Galtung von Journalisten, die Suche nach Friedensvorschlägen zum Teil ihrer Mission zu machen, die als etwas Kleines, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle Liegendes beginnen mögen, dann aber von Politikern aufgegriffen und übernommen werden können. Meine Antwort darauf ist klar und einfach: friedensstiftende Politiker zu kreieren ist nicht die Aufgabe eines Reporters.
Ich betrachte die traditionellen journalistischen Methoden als Versuch, durch Objektivität zur Wahrheit zu gelangen, auch wenn eine perfekte Wahrheit unerreichbar ist; und komme zu dem Schluss, dass ein alltäglicheres Verständnis von Wahrheit, ‚Wahrhaftigkeit' dennoch handhabbar und immer noch (nach Thomas Nagel) von Wert ist. Nagels Darstellung hat den Vorzug, dass sie zugleich erklärt, warum Praktiken wie Friedensberichterstattung dafür prädestiniert sind, weniger objektiv zu sein als andere: "weil sie sich zur Übernahme einer bestimmten Perspektive verpflichten".
Der so genannte Journalism of Attachment hat Journalisten dazu verleitet, angesichts der Gräuel von Bosnien Unparteilichkeit und emotionale Distanz über Bord zu werfen und in ihrer Berichterstattung Partei zu ergreifen. Meines Erachtens könnte das Festhalten an Objektivität ein nützliches Mittel gegen den Relativismus dieser Journalisten sein.
Ich schließe mit einer detaillierten Betrachtung zweier Fallstudien, Kosovo und Nordirland. Die Lösung der Probleme dort ist in einer besseren Anwendung der bekannten Werkzeuge zu suchen und nicht in einem neuen Werkzeugkasten.
Im einundzwanzigsten Jahrhundert hat sich die Welt von der Clausewitz'schen Vision des Krieges als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln dahingehend weiterentwickelt, dass diplomatische Lösungen herkömmlicher Art ebenso wie konventionelle Armeen schlechte Chancen haben, der aus asymmetrischen Konflikten resultierenden Bedrohung zu begegnen - ‚Krieg inmitten der Völker' ist der neue Slogan. Die Werkzeuge des Reporters müssen geschärft werden, nicht geändert.

 

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Zum Autor:
David Loyn arbeitete mehr als 25 Jahre als Auslandskorrespondent, überwiegend mit der BBC. Er ist einer von nur zwei Journalisten, welche sowohl für Fernseh- als auch für Radionachrichten mit den führenden britischen Preisen ausgezeichnet wurden - Sony Radio Reporter of the Year und Royal Television Society Journalist of the Year.
Er verfügt über beachtliche Erfahrungen mit Konflikten, u.a. Angola, Kashmir, Afghanistan, Kosovo, Bosnia and Iraq. Nach einer Zeit als Korrespondent in Delhi wurde er Mitte der 90er Jahre zum Dritte-Welt-Korrespondenten der BBC mit Sitz in London ernannt. Sein Buch Frontline - the true story of the British mavericks who changed the face of war reporting wurde 2006 für den Orwell Preis vorgeschlagen. Zur Zeit schreibt er eine Geschichte des ausländischen Engagements in Afghanistan.

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