|
David Loyn
Qualitätsjournalismus oder Friedensjournalismus?
Der Aufsatz argumentiert
gegen die präskriptiven Vorstellungen des Friedensjournalismus; insbesondere
gegen seine exklusive Natur und den Versuch, sich als eine neue Orthodoxie
zu verstehen; und beschäftigt sich zu weiten Teilen mit der Kritik
der Arbeiten von Jake Lynch und Annabel McGoldrick, wie sie 2005 in Buchform
sowie in ihren früheren Reporting the World-Schriften veröffentlicht
sind. Während Lynch & McGoldrick alle anderen Arten der Berichterstattung
als Kriegsjournalismus' verdammen, der zugunsten des Krieges verzerrt
sei, halte ich dagegen, dass Friedensjournalismus das Gegenteil von Qualitätsjournalismus
ist.
Viele der Argumente des Friedensjournalismus sind aus den Arbeiten von
Johan Galtung abgeleitet, der die Kriegsjournalisten' beschuldigt,
über Krieg in geschlossenem Raum und geschlossener Zeit, ohne Kontext
und unter Vernachlässigung von Friedensinitiativen zu berichten und
Kriege undurchsichtig/geheim' zu machen. Insbesondere fordert Galtung
von Journalisten, die Suche nach Friedensvorschlägen zum Teil ihrer
Mission zu machen, die als etwas Kleines, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle
Liegendes beginnen mögen, dann aber von Politikern aufgegriffen und
übernommen werden können. Meine Antwort darauf ist klar und
einfach: friedensstiftende Politiker zu kreieren ist nicht die Aufgabe
eines Reporters.
Ich betrachte die traditionellen journalistischen Methoden als Versuch,
durch Objektivität zur Wahrheit zu gelangen, auch wenn eine perfekte
Wahrheit unerreichbar ist; und komme zu dem Schluss, dass ein alltäglicheres
Verständnis von Wahrheit, Wahrhaftigkeit' dennoch handhabbar
und immer noch (nach Thomas Nagel) von Wert ist. Nagels Darstellung hat
den Vorzug, dass sie zugleich erklärt, warum Praktiken wie Friedensberichterstattung
dafür prädestiniert sind, weniger objektiv zu sein als andere:
"weil sie sich zur Übernahme einer bestimmten Perspektive verpflichten".
Der so genannte Journalism of Attachment hat Journalisten dazu verleitet,
angesichts der Gräuel von Bosnien Unparteilichkeit und emotionale
Distanz über Bord zu werfen und in ihrer Berichterstattung Partei
zu ergreifen. Meines Erachtens könnte das Festhalten an Objektivität
ein nützliches Mittel gegen den Relativismus dieser Journalisten
sein.
Ich schließe mit einer detaillierten Betrachtung zweier Fallstudien,
Kosovo und Nordirland. Die Lösung der Probleme dort ist in einer
besseren Anwendung der bekannten Werkzeuge zu suchen und nicht in einem
neuen Werkzeugkasten.
Im einundzwanzigsten Jahrhundert hat sich die Welt von der Clausewitz'schen
Vision des Krieges als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln dahingehend
weiterentwickelt, dass diplomatische Lösungen herkömmlicher
Art ebenso wie konventionelle Armeen schlechte Chancen haben, der aus
asymmetrischen Konflikten resultierenden Bedrohung zu begegnen - Krieg
inmitten der Völker' ist der neue Slogan. Die Werkzeuge des Reporters
müssen geschärft werden, nicht geändert.
|
|
|
Zum Autor:
David Loyn arbeitete mehr als 25 Jahre als Auslandskorrespondent, überwiegend
mit der BBC. Er ist einer von nur zwei Journalisten, welche sowohl für
Fernseh- als auch für Radionachrichten mit den führenden britischen
Preisen ausgezeichnet wurden - Sony Radio Reporter of the Year und Royal
Television Society Journalist of the Year.
Er verfügt über beachtliche Erfahrungen mit Konflikten, u.a.
Angola, Kashmir, Afghanistan, Kosovo, Bosnia and Iraq. Nach einer Zeit
als Korrespondent in Delhi wurde er Mitte der 90er Jahre zum Dritte-Welt-Korrespondenten
der BBC mit Sitz in London ernannt. Sein Buch Frontline - the true
story of the British mavericks who changed the face of war reporting
wurde 2006 für den Orwell Preis vorgeschlagen. Zur Zeit schreibt
er eine Geschichte des ausländischen Engagements in Afghanistan.
Adresse: Room 2505,
TV Centre, Wood Lane, London W12 7RJ, UK. Telephone: +44 (0)20 8624 8458
eMail: David.loyn@bbc.co.uk
|
|