conflict & communication online, Vol. 5, No. 1, 2006
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Aude Plontz
Der deutsch-französische Konflikt um die Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank in der deutschen und französischen Presse

Die vorliegende quantitative Inhaltsanalyse diente folgenden Zielen: zum einen der Beschreibung der Berichterstattung über einen mitteleskalierten Konflikt, über den deutsch-französischen Streit um den Vorsitz der Europäischen Zentralbank, und zum anderem dem Aufspüren möglicher Einflußgrößen, die eine deeskalationsorientierte Berichterstattung begünstigen könnten. Zwei deutsche Tageszeitungen, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Süddeutsche Zeitung, und zwei französische Tageszeitungen, Le Figaro und Le Monde, wurden untersucht. Insgesamt wurden 1067 Kodiereinheiten (Textabsätze) verschlüsselt. Die Verschlüsselung erfolgte anhand eines Kodiersystems für mittel eskalierte Konflikte, das sich an das Kodiersystem für hoch eskalierte Konflikte der Projektgruppe Friedensforschung der Universität Konstanz anlehnt (s. Kempf, 2003, S.137-40). Die Analyse der latenten Klassen ergab fünf Klassen zur Beschreibung der Berichterstattungsstile: Dies sind von der größten zur kleinsten Klasse geordnet: „Abwertung des Gegenübers“, „Betonung der Konfliktintensität mit Unterstützung deeskalationsorientierter Bemühungen“, „Stellungnahme zum Konfliktverlauf“, „Idealisierung der eigenen Seite“, „deeskalationsorientierte Kritik der eigenen Seite“. Die eskalationsorientierten Stile entsprechen den in der Theorie der sozialen Identität von Taifel & Turner (1986) beschriebenen Prozessen des Gruppenvergleichs: Benachteiligung der Außengruppe (vgl. „Abwertung des Gegenübers“) und Bevorzugung der Innengruppe (vgl. „Idealisierung der eigenen Seite“). Insgesamt lässt sich die Berichterstattung als überwiegend eskalationsorientiert mit einigen deeskalationsorientierten Merkmalen kennzeichnen. Die Kontingenzanalysen ergaben, dass die französischen Zeitungen, die Pro-Oppositionszeitungen und die in der letzten Konfliktphase veröffentlichten Zeitungsartikel häufiger deeskalationsorientierte Berichterstattungsstile verwendeten. Hingegen kamen in den deutschen Zeitungen, den Pro-Regierungszeitungen und in den in der Anfangsphase des Konflikts veröffentlichten Artikeln häufiger eskalationsorientierte Berichterstattungsstile vor. Die politische Orientierung der Zeitungen (eher konservativ vs. eher sozial-liberal) und die Länge der Artikel hingen mit der Orientierung der Berichterstattung nicht zusammen.

 

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Zur Autorin:
Aude Plontz, geb. 1977, Studienabschluss in Moderner Literatur an der Universität Paris IV-Sorbonne („licence de Lettres Modernes“, 1999), Studienabschluss in Philosophie an der Universität Paris I-Panthéon-Sorbonne („maîtrise de philosophie“, 2001), Studienabschluss in Psychologie an der Universität Konstanz (Diplom, 2005). 2002-2005 Mitarbeiterin der Projektgruppe Friedensforschung der Universität Konstanz. Arbeitsbereiche: Deutsche Presseberichterstattung über Frankreich nach dem 2. Weltkrieg und Entwicklung eines Kodiersystems zur Analyse mitteleskalierter Konflikte. Kürzlich wurde sie Doktorandin an der Universität La Trobe in Melbourne (Australien) angenommen, wo sie im Juni 2006 mit der Arbeit an einer Longitudinalstudie zur psychischen Gesundheit von Flüchtlingen beginnen wird.

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