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Sonia Gutiérrez-Villalobos
Konflikt- und kooperationsorientierte Berichterstattung: Der Rio-San-Juan-Konflikt
Dieser Beitrag analysiert
die Medienberichterstattung über den Rio-San-Juan-Konflikt zwischen
Costa Rica und Nicaragua. Hierbei handelt es sich um einen lang andauernden
Konflikt um die Verwaltung eines Flussbeckens, welches sich entlang der
Grenze der beiden Länder erstreckt. Im März 2002 vereinbarten
die Regierungen, von einer konfrontativen zu einer kooperativen Strategie
überzuwechseln.
Das Ziel dieser Studie ist es, zu untersuchen, wie die costa-ricanische
Presse über den Konflikt sowohl während der Konfrontationsphase
als auch nach dem Wechsel zu einer kooperativen Strategie berichtete.
Dabei ist das Augenmerk insbesondere auf die jeweilige Konflikt- bzw.
Kooperationsorientierung der Berichterstattung gerichtet. Ausgewählt
wurden zwei große Zeitungen: La Nación (LN) und La República
(LR).
Inhaltsanalytisch ausgewertet wurden 81 Nachrichtenmeldungen aus zwei
verschiedenen Zeiträumen:
- Juli 1998 - Phase der Konfrontation, und
- Juni 2002 - Phase der Kooperation.
In der Studie wurde eine zweidimensionale Skala angewendet, die 12 Sets
von Indikatoren beinhaltet. Jeweils sechs Sets indizieren je eine konfliktorientierte
bzw. eine kooperationsorientierte Berichterstattung über den Konflikt.
Die Ergebnisse der Analyse der Berichterstattung von 1998 weisen eher
auf eine Unterstützung von Konflikt und Konfrontation hin als von
Kooperation:
- In der Analyse der LN von 1998 ist die konflikt- und konfrontationsorientierte
Berichterstattung im Vergleich zur kooperationsorientierten Berichterstattung
stärker, sowohl bezüglich der Variable "Konzeptualisierung
des Rio-San-Juan-Konflikts" als auch der Variable "negative
Bewertung der nicaraguanischen Handlungen". Somit dominiert in dieser
Zeitung eine konfliktorientierte Berichterstattung.
- Die Analyse der LR von 1998 zeigt die Dominanz einer konfliktorientierten
Berichterstattung in drei Variablen: den höchsten Score weist die
Variable "Bewertung der nicaraguanischen Handlungen" auf, gefolgt
von "Bewertung der nicaraguanischen Rechte und Intentionen"
und "negative Emotionen". Dagegen deutet die Variable "Konzeptualisierung
des Rio-San-Juan-Konflikts" eher auf eine Kooperations- als auf eine
Konfliktorientierung hin.
Insgesamt indizieren vier Variablen eine konfliktorientierte und eine
Variable eine kooperationsorientierte Berichterstattung.
Die Ergebnisse
der Analyse der Berichterstattung von 2002 offenbaren einen Rückgang
der konfliktorientierten Berichterstattung zugunsten der kooperationsorientierten:
- In der LN zeigt sich dies in der Konzeptualisierung des Rio-San-Juan-Konflikts:
Die Variable "Konzeptualisierung des Rio-San-Juan-Konflikts"
indiziert überwiegend Kooperation. Im Jahr 2002 dominiert nach keiner
Variable eine konfliktorientierte Berichterstattung. LN wechselt folglich
von einer konfliktorientierten zu einer kooperationsorientierten Berichterstattung,
nachdem sich die politische Agenda von Konfrontation zu Kooperation verschoben
hat.
- In der LR manifestiert sich eine Dominanz der konfliktorientierten Berichterstattung
in zwei Variablen und eine Kooperationsorientierung in der Variable "Konzeptualisierung
des Rio-San-Juan-Konflikts".
Insgesamt zeigt sich in zwei Variablen noch immer ein Übergewicht
einer konfliktorientierten Berichterstattung, während zwei Variablen
eine Kooperationsorientierung aufweisen.
Im Ergebnis
lassen sich zwei Tendenzen identifizieren:
1. ein Rückgang der konfliktorientierten zugunsten einer kooperationsorientierten
Berichterstattung
2. die Resistenz gegenüber einer kooperationsorientierten , obwohl
sich die politische Agenda in Richtung Kooperation verändert hat.
Die Ergebnisse
sind hilfreich, um den Beitrag der costa-ricanischen Presse zur Förderung
von Kooperation und zur Deeskalation von Konflikten zu bewerten. Frieden
ist ein wichtiges Leitprinzip der Außenpolitik Costa Ricas. Im Unterschied
zu Befunden, nach denen Medien als Werkzeug für Politiker fungieren,
bleiben die beiden Zeitungen LN und LR hinter der Politik, die Kooperation
und Frieden befürwortet, zurück und statt dessen der medientypischen
Präferenz für Konflikt, Konfrontation und Dramatik verhaftet.
Ihre Resistenz gegenüber einer kooperationsorientierten Berichterstattung
wird zudem durch ihre Beharrlichkeit, das Rio-San-Juan-Becken als ein
Grenzflussbecken anzusehen, verdeutlicht: Die Region als Flussbecken zu
konzeptualisieren, ist immer noch eine Innovation. Innovationen rufen
normalerweise Widerstand hervor, und entsprechend reagierten beide Zeitungen
mit Widerstand auf diese Innovation.
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Zur Autorin:
Sonia Gutiérrez Villalobos, Ph.D., geb. 1948 in Puntarenas, Costa
Rica. 1976 Lizentiat in Literaturwissenschaften an der Universidad de Costa
Rica (UCR). 1990 M.A. in Kommunikationswissenschaften an der University
of Kentucky. 1995 Ph.D. in Kommunikationswissenschaften an der University
of Massachusetts. Arbeitet derzeit am Instituto de Investigaciones Sociales
(IDESPO) an der Universidad Nacional de Costa Rica (UNA). Publikationen
u. a.: Support for the U.S. Administration During the Panama Invasion: Analysis
of Strategic and Tactical Critique in the Domestic Press (1994, zusammen
mit Rush und Hertog), Three Theories to Test Press Support (1996), Los Medios
y la Cultura de Paz (2001, zusammen mit Kempf), Media and Reconciliation
in Central America (2002, in: Gilboa, Media Diplomacy in the Arab-Israeli
Conflict).
Adresse: Apdo 1882-3000, Heredia, Costa Rica. eMail: sgutierr@una.ac.cr
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