conflict & communication online, Vol. 1, No. 2, 2002
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Birgitta Höijer (Örebro), Stig Arne Nohrstedt (Örebro) & Rune Ottosen (Oslo)
Der Kosovo-Krieg in den Medien - Analyse einer globalen Diskursordnung

Der vorliegende Aufsatz diskutiert Untersuchungsergebnisse zur Medienberichterstattung über den Kosovo-Krieg aus diskursanalytischer Perspektive. Die zugrundeliegenden Studien umfassen das gesamte Spektrum von der Nachrichtenproduktion bis hin zur Rezeption. In theoretischer Hinsicht werden dabei verschiedene, wenngleich verwandte Diskurse zusammengeführt: der Nachrichten- und Propagandadiskurs und der Diskurs des globalen Mitgefühls. Auf Grundlage von Fairclough´s Konzept der"globalen Discursordnung", wird herausgearbeitet, wie diese Diskurse miteinander vermischt sind und wie sie miteinander interagieren. Im ersten Teil des Aufsatzes werden die sozialen und historischen Kontexte der genannten Diskurse diskutiert.
Der zweite Teil des Aufsatzes referiert die Ergebnisse eines Forschungsprojektes, das aus einer Reihe von Einzelstudien zur Medienberichterstattung über den Kosovo-Krieg besteht. Ziel des Projektes war es, zu untersuchen, wie die Medien und die Leserschaft mit diesem globalen Ereignis umgingen und wie sie es interpretierten. Die Studien wurden in Schweden (einem nicht-NATO-Land) und in Norwegen (einem Nato-Land) durchgeführt. Darüber hinaus wurde auch eine britische Studie zur Nachrichtenproduktion mit eingeschlossen. Der journalistische Prozess wurde mittels Interviews untersucht, die Medienberichterstattung mittels Textanalyse und die Rezeption mittels Fokusgruppen. Einige Ergebnisse:
Der Diskurs des globalen Mitgefühls hatte einen starken Einfluss auf die Medienberichterstattung. Medien in Schweden und Norwegen waren gleichermaßen vom Schicksal der Zivilbevölkerung eingenommen und thematisierten ihr Leiden, sowohl unter dem Terror am Boden als auch unter den NATO-Luftangriffen. Die Leserschaft reagierte auf das von den Medien angebotene emotionale Engagement in unterschiedlicher Weise: entweder mit Mitgefühl oder mit Indifferenz und Desinteresse.
Die Medien stellten die Alleinverantwortung des Feindes Milosevic und die von der NATO proklamierten Motive des Kosovo-Krieges niemals ernsthaft in Frage. Dasselbe gilt für die Leserschaft. Allerdings zeigte die norwegische Öffentlichkeit generell größere Bereitschaft, die NATO Propaganda zu akzeptieren, als die schwedische Öffentlichkeit.
Im Vergleich zu den norwegischen Medien hatten die schwedischen Medien zu Beginn eine weit stärker artikulierte kritische Stimme. Aber unter dem Einfluss der folgenden Ereignisse, insbesondere den irrtümlichen Angriffen auf albanische Flüchtlinge, zeichneten die Medien in beiden Ländern ein überwiegend kritisches Bild der NATO-Bombenangriffe. Eine gewisse Ambivalenz gegenüber den Bombenangriffen war auch unter der Leserschaft in beiden Ländern verbreitet.
Hinsichtlich anderer Aspekte, z.B. bezüglich der Darstellung der Rolle Russlands in dem Konflikt, blieben die Unterschiede zwischen den norwegischen und den schwedischen Medien während des gesamten Krieges bestehen. Die Unterschiede spiegelten die verschiedenen sicherheits- und außenpolitischen Traditionen der beiden Länder wider.

 

  englischer Volltext  
 


Zu den Autoren: Birgitta Höijer, geb. 1945, Ph.D. in Psychologie 1984 (Universität Uppsala, Schweden). Forschungstätigkeit im Audience and Programme Research Department des schwedischen Rundfunks 1969-1990; Department of Journalism, Media and Communication an der Universität Stockholm 1990-1995, Associate Professor 1992; Department of Media and Communication an der Universität Oslo, 1995-2001, ab 1998 Professor. Seit 2001 Professor für Medien und Kommunikation an der Universität Örebro, Schweden. Forschungsinteressen: Genres, Medieninhalte und Meinungsbildung. Rezeptionstheorie unter kulturell-kognitiver Perspektive mit Fokus auf Prozessen des Verstehens und interpretativen Bezugsrahmen. Ausgewählte Bücher: Nyheter, förståelse och minne (Nachrichten, Verstehen und Gedächtnis) 1984; Våldsamma nyheter (Gewalttätige Nachrichten) 1996; Cultural Cognition. New Perspectives in Audience Theory, 1998; Kosovokonflikten, medierna och medlidandet (Der Kosovo Konflikt, Medien und Mitgefühl), 2002.
Stig A. Nohrstedt, geb. 1946, Ph.D. in Politikwissenschaften (Universität Uppsala, Schweden). Professor für Medien und Kommunikation an der Universität Örebro, Schweden. Forschungsgebiete: internationale Kommunikation und Kriegsjournalismus; Berufsethik des Journalismus; Krisenkommunikation; neue Informationstechnologien und Demokratie. Ausgewählte Bücher: Tredje världen i nyheterna (Nachrichtenberichterstattung über die Dritte Welt) 1986; Journalistikens etiska problem (Die ethische Problematik des Journalismus), 1996; Journalism and the New World Order, Vol. I, 2000; Kosovokonflikten, medierna och medlidandet (Der Kosovo Konflikt, Medien und Mitgefühl), 2002.
Rune Ottosen, geb. 1950, Cand. polit. in Politikwissenschaften (Universität Oslo, 1984), BA in Journalismus (Norwegian College of Journalism, 1973); Arbeit als Journalist in verschiedenen Medien (1977-84); Lehrbeauftragter und Forschungstätigkeit am Norwegian College of Journalism (1984-88); Information Director und Forschungstätigkeit am International Peace Research Institute, Oslo (PRIO) (1989-92); Forschungstätigkeit bei der Norwegian Federation of Journalists (1993-95); Associate Professor in der Fakultät für Journalismus, Bibliotheks- und Informationswissenschaften, Oslo College, seit 1996; Professor in der selben Institution seit 1999; Ottosen ist außerdem Präsident der Norwegian Association of Non-Fiction Authors and Translators. Autor verschiedener Bücher und Artikel über Geschichte des Journalismus und verschiedene Themen in Zusammenhang mit Krieg und Journalismus. Aktuelle Buchpublikationen: Journalism and the New World Order, Vol. I, 2000; Kosovokonflikten, medierna och medlidandet (Der Kosovo Konflikt, Medien und Mitgefühl), 2002.


Adressen: Birgitta Höijer, Media and Communication, Örebro University, SE- 701 82 Örebro, Sweden
eMail: birgitta.hoijer@hum.oru.se,
http://www.oru.se/org/inst/hum/mkv/index.html

Stig-Arne Nohrstedt, Media and Communication, Örebro University, SE- 701 82 Örebro, Sweden
eMail:Stig-Arne.Nohrstedt@hum.oru.se
http://www.oru.se/org/inst/hum/mkv/index.html

Rune Ottosen, Faculty of Journalism, Library and Information Science, Oslo University College, Pilestredet 48, NO- 0167 Oslo, Norway
eMail: Rune.Ottosen@jbi.hio.no
http://home.hio.no/~rune/